Darmstädter Echo vom 15.03.2001
Redaktion: BFF Eva Reinhold-Postina, Seeheim
Die wichtigsten Unterschiede zum herkömmlichen Wohnhaus
Äußerlich unterschieden sich Passivhäuser nicht von anderen modernen Wohnhäusern. Weil Passivhäuser aber mit besonderer Sorgfalt geplant werden, sind sie oft sehr futuristisch und schick gestaltet.
Wer im Passivhaus wohnt, der muss keinerlei Einschränkungen hinnehmen, was den Wohnkomfort angeht. Er braucht im Winter nicht zu frieren und muss im Sommer nicht schutzlos in der Sonne brüten. Passivhausbewohner brauchen auch nicht mehr technisches Verständnis als andere Hausbesitzer. Die Planung des Hauses ist schließlich Sache der Architekten und Ingenieure, nicht des Bauherrn.
Passivhaus-Bauherren müssen nicht wohlhabender sein als Bauherren konventioneller Häuser. Vor einigen Jahren waren Niedrigenergie- und Passivhäuser noch rund ein Drittel teurer als herkömmlich geplante Häuser, aber inzwischen sind die Konzepte ausgereift, und die Hersteller der im Passivhaus benötigten Bauelemente sind mit ihren Preisen konkurrenzfähig. Ein Passivhaus kostet heute nicht mehr als ein konventionell geplantes Haus.
Was genau ist ein Passivhaus? Das Passivhaus ist ein Gebäude, das nahezu ohne Fremdenergie funktioniert. Daher der Begriff Passivhaus. Im Passivhaus werden alle natürlichen Energieressourcen genutzt, sogar die von den Bewohnern selbst erzeugte Wärme.
Besonders wichtig für ein gut funktionierendes Passivhaus ist die sorgfältige Planung: Passivhäuser sind kompakt und nach Süden ausgerichtet. Sie stehen möglichst ganztägig in der Sonne und nicht im Schatten großer Bäume und hoher Berge. Das A und O der modernen Häuser ist die außergewöhnlich gute Wärmedämmung. Die Wände, Decken und Dächer sind optimal gedämmt, damit möglichst keine Heizwärme aus dem Innern entweichen kann. Das Prinzip entspricht dem einer Thermoskanne. Gut isolierte Kannen halten Kaffee länger heiß als schlecht isolierte.
Die Fenster im Passivhaus sind dreifach verglast. Auch das entspricht dem Standard. Die Dreifachverglasung dämmt nicht nur die Wärme, sie schluckt auch viel Lärm. Dreifach verglaste Fenster sind fast komplett schalldicht.
Passivhäuser sind extrem dicht. Fensterfugen werden systematisch geschlossen, ebenso Gebäudefugen. Unter keiner Tür zieht es mehr durch. Dadurch wird der Austausch zwischen warmer Innen- und kalter Außenluft verhindert. Auch das spart enorm viel Energie. Geprüft wird die Fugendichtigkeit beim so genannten Blower-Door-Test: Mit Hilfe eines Ventilators wird Luft ins Haus gepumpt beziehungsweise aus dem Haus gezogen. Dadurch entstehen Über- oder Unterdruck. Während dieses Vorgangs werden alle Fenster und Türen genau kontrolliert, ob dort durch undichte Fugen Luft entweicht.
Passivhäuser werden mit Hilfe von Sonnenenergie und durch Wärmerückgewinnung geheizt. Eine konventionelle Heizanlage ist nicht nötig. Die Luft spielt beim Passivhaus eine besondere Rolle. Gelüftet wird in den modernen Häusern nicht mehr durchs Fenster, sondern über die Heizungsanlage. Diese modernen Heizungsanlagen können sowohl heizen als auch lüften und kühlen. Sie produzieren Wärme, schicken diese als warme Frischluft über ein ausgeklügeltes Röhrensystem in die einzelnen Räume und saugen dort im Gegenzug die verbrauchte Raumluft gleich wieder ab.
Die verbrauchte Warmluft wird ihrerseits wieder zum Heizen genutzt. In einem Wärmetauscher fließt sie an der von außen angesaugten sauerstoffreichen Frischluft vorbei und hilft diese zu erwärmen, bevor sie wieder in die Räume geschickt wird. Nur wenn die alte Raumluft deutlich abkühlt, zum Beispiel weil nicht genug Menschen im Zimmer sind und mit ihrer Körperwärme den Raum heizen, dann muss die Luft nachtemperiert werden, bevor sie wieder als Heizluft in die Räume geschickt wird. Dazu ist ausnahmsweise Energie nötig.
Allergiker sollen sich, so die Fachleute, im Passivhaus besonders wohl fühlen, denn die Frischluft wird über Filter geleitet, die sie von Pollen und Staubpartikeln befreit, bevor die Luft in die Räume geleitet wird.
Das erste Passivhaus Deutschlands entstand 1991 nach Plänen der Darmstädter Architektengemeinschaft Bott, Ridder und Westermeyer im Carsonweg 76-82 in Neu-Kranichstein. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt vom Institut Wohnen und Umwelt und der Hessischen Landesregierung. Das war vor zehn Jahren. Inzwischen haben Passivhäuser ihren Exotenstatus verloren. Sie setzen sich – wenn auch langsam – durch. Inzwischen offerieren die ersten Fertighaushersteller reine Passivhäuser; die Niedrigenergiebauweise haben Fertighaushersteller längst zum Standard erhoben.
Zentrale Anlaufstelle für alle, die sich für Passivhäuser interessieren, ist zurzeit das Internet. Unter der Adresse www.passiv.de informiert umfassend das Darmstädter Passivhaus-Institut von Dr. Wolfgang Feist über alle, was das Passivhaus betrifft. Beim Passivhaus-Institut ist auch der „Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser“ beheimatet, zu dessen Trägern unter anderem das Hessische Umweltministerium gehört.
Was kommt nach dem Passivhaus? Die Experimente gehen in Richtung Null-Energie-Haus und Plus-Energiehaus, also Häuser, die ganz ohne zusätzliche Energie auskommen und – eines schönen Tages – sogar Energie gewinnen können. Vom Prinzip her wären diese Häuser heute schon realisierbar, aber sie kämen noch sehr teuer.